Gedanken zum Hundeführschein

Gedanken unserer Kooperationspartnerin Conny Sporrer von Rütter’s Dogs Vienna zum Hundeführschein. Bei unseren Befragungen in den Wiener Hundezonen haben sich viele HundehalterInnen für eine Reform des Wiener Hundeführscheins ausgesprochen, damit die Konflikte zwischen verschiedenen Rassehunden, großen und kleinen Hunden geringer werden …

Erstmal: Ich finde toll in einem Land zu leben, das sich dem Thema „Hundeführschein“ angenommen hat. Die grundsätzliche Idee, dass sich Menschen erst für die Haltung eines Hundes qualifizieren müssen, finde ich völlig richtig. Jeder der ein Auto lenkt, muss eine Führerscheinprüfung absolvieren, warum sollte dies bei der Haltung eines Raubtieres, das obendrein ganz vielen Anforderungen unserer Gesellschaft gewachsen sein sollte, also anders sein?

Leider hat der Hundeführschein aber bisweilen nur das Resultat erbracht, bestimmte Rassen noch mehr zu stigmatisieren und in eine Ecke zu stellen. Wer dann die verpflichtende Prüfung bestanden hat, erweist sich als befähigt einen „Kampfhund“ zu „führen“.
Um hier gleich klare Worte zu finden: Es ist fachlich natürlich völlig inkorrekt ausschließlich gewisse Rassen anzuprangern und sie dann auf schwarzen Listen zu führen, die im Übrigen in jedem Bundesland anders aussehen. In Wien gelten 9 verschiedene Rassen als hundeführscheinpflichtig, wie diese ermittelt wurden bleibt unklar. Der langjährige Rasseanführer der Beißstatistik hat es jedenfalls nicht darauf geschafft.

Unterm Strich könnte ich hier zu jeder Rassegruppe Vor- und Nachteile aufzählen. Auch Kampfhunde haben Eigenschaften, die sie im ersten Moment nicht super kompatibel erscheinen lassen. Sie wurden früher(!) für Kämpfe gegen Hunde, Bullen, Bären und Co. gezüchtet, weswegen ihnen bis heute oft unter anderem geringes Drohverhalten aber eine relativ hohe Frustrationstoleranz zugesprochen wird. Eine Eigenschaft, die sie jedenfalls nicht besitzen durften, war Aggressionsverhalten gegenüber Menschen. Da sie sich in den Kämpfen oft so fest in ihrem Gegner verbissen haben, konnten sie nur durch menschliche Hilfe getrennt werden. Da war gänzlich unbrauchbar den Menschen zu verletzen. Mindestens ebenso riskant für die Gesellschaft sind übrigens Eigenschaften wie etwa die oft geringe Frustrationstoleranz bei Hütehunden, die ausgeprägte territoriale Motivation bei Haus- und Hofhunden, die Mannschärfe bei so manchen Jagdhunden oder die häufige Unsicherheit bei kleinen Gesellschaftshunden. Beißkraft hin oder her: wenn ein kleiner Terrier verletzen will, kann er das sehr wirkungsvoll.

Ich will hier natürlich keineswegs Ängste schüren oder bestimmte Hunde an den Pranger stellen. Vielmehr geht es mir darum, Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es nicht erst bei der Haltung des Hundes darum geht sich mit dessen Verhalten zu beschäftigen. Und zugegebenermaßen geht es ja meist um eine bestimmte HalterInnenzielgruppe, die den Unmut gegenüber einiger Rassen verstärkt.

Ich bin also in erster Linie einmal dafür, dass ein Hundeführschein zu einem Teil bereits vor der Anschaffung eines Hundes absolviert werden sollte. In diesem Modul sollte über die Eigenschaften und Bedürfnisse der verschiedenen Rassegruppen aufgeklärt werden. Und darauf hingewiesen werden, was bei der Auswahl des richtigen Hundes beachtet werden muss. Der niedlichste Labradorwelpe eines unseriösen Züchters wird im späteren Leben höchstwahrscheinlich große soziale Defizite aufweisen, wohingegen ein Staffordshire Bullterrier aus einer verantwortungsvollen Zucht ein super kompatibler Hund sein kann. Natürlich sollte hier auch der Aspekt, Hunden aus seriösen Tierheimen bzw. verantwortungsbewusstem Tierschutz eine (zweite) Chance zu geben, erklärt werden.

Ein weiteres Modul des Hundeführscheins sollte eine praxisnahe Schulung in puncto Körpersprache und Kommunikation von Hunden sein. Ob mit oder ohne Hundeführschein: jeder sollte seinen Hund und auch andere Vierbeiner richtig verstehen können, um richtig auf verschiedene Umstände reagieren zu können. Es geht also nicht vorrangig darum wie gut ein Hund Sitz oder Platz kann, gewisse Situationen aushält oder Menschen toll findet oder nicht, sondern ob es ihm in gewissen Situationen überhaupt zuzumuten ist. Wenn der/die Hundehalter/in seinen Hund gut einschätzen kann und richtig zu agieren weiß, würden viele Hundekonflikte dieser Welt erst nicht entstehen.
Zugegeben, das alles klingt sehr selbstverständlich und womöglich glaubt jede/r Hundehalter/in auch seinen Hund richtig zu verstehen, wie auch ich, bevor ich mich intensiv damit beschäftigt habe und eines Besseren belehren ließ. Und leider beweisen viele Menschen in den Hundezonen dieser Stadt ihre Laienhaftigkeit auch täglich aufs Neue. Ich kann mir dann immer nur an den Kopf greifen, wie falsch und vermenschlicht so manche Begegnungen gedeutet werden. Ohne eine Verpflichtung auf solche Kurse, wird sich nur leider nichts ändern.

Die Vorstellung, wie viele Menschen mit Hunden zusammenleben, die nicht richtig verstanden werden stimmt mich immer trauriger. Dass es dadurch zu unerwünschter Aggression, Ängsten und Widersetzlichkeiten unserer Hunde kommt, ist doch völlig selbstverständlich…

Hoffnungsvoll,
Conny Sporrer

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